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Christina Wagner
Am 24. Januar 2022 wurde der Ausbau der Elbe offiziell abgeschlossen. Die Fahrrinne der Elbe wurde nicht nur vertieft, sondern auch teilweise für die Begegnung großer Schiffe verbreitert.
Doch wer nach Abschluss der Arbeiten mit einem Abzug der Baggerschiffe rechnete, irrte sich. Denn kaum fertig, begann der „Kampf“ um den Erhalt der neuen Fahrrinne. Durch die größere Tiefe, wie auch Veränderungen des Flusslaufes, z. B. durch Verspülungen in der Medemrinne und in Uferbereichen von Brunsbüttel, Sankt Margarethen und Brokdorf, erhöhte sich die Strömungsgeschwindigkeit der Elbe und damit auch der Sedimentanteil. Es gibt Schätzungen, wonach dieser 3x höher als angenommen ausfallen soll. Trotz „Sandkastenspiele“ und Computerberechnungen hat man sich bei der jahrelangen Planung offensichtlich verrechnet. Die Natur der Elbe zeigt ihre Macht.
Das Ergebnis ist am den umfangreichen Baggereinsatz auf der Elbe zu erkennen. Obwohl erst seit
einem halben Jahr fertig, geben sich auf der Elbe die Baggerschiffe die Klinke in die Hand. In fast 60 Jahren ist mir ein derartiger Aufmarsch an Baggern zur Unterhaltung der Fahrrinne nicht
bekannt. Bei den Baggerarbeiten geht es aber nicht nur um den Erhalt der Fahrwassertiefe, sondern es müssen auch immer wieder entstehende Übertiefen aufgefüllt werden.
Aktuell sind sechs große Hopper Dredger im Einsatz.
Im Bereich des Hamburger Hafens kämpfen gegen die Schlickmassen:
JAMES COOK ( 11.750 m³)
PEDRO ALVARES CABRAL (14.000 m³)
Auf der Unterelbe zwischen Hamburg bis in die Elbmündung sind aktuell im Einsatz:
UTRECHT (18.292 m³),
UILENSPIEGEL (13.713 m³)
MEUSE RIVER (7.950 m³)
HAM 316 (9.535 m³)
Die beiden im Hamburger Hafen eingesetzten Bagger machen sich nach jeder Baggerung auf die über 80
Seemeilen lange Fahrt zur Verklappung in die Nordsee. Für die insgesamt ca. 160 sm benötigen die Schiffe inklusive Verklappung eine Fahrzeit von ca. 11 bis 12 Stunden!
Die UILENSPIEGEL, die im Bereich des Elbehafens Brunsbüttel baggert, verklappt
derzeit bei Neuwerk. Die HAM 316 nördlich Scharhörns das Baggergut in die Nordsee. Die UTRECHT verklappt aktuell ihre Ladung bei Sankt Margarethen während die MEUSE
RIVER sie bei Stader Sand verspült.
Hinzu kommen noch mehrere Water Injection Dredger. Diese Schiffe nehmen kein Baggergut im Laderaum
auf, sondern wirbeln mit einem von Pumpen erzeugten starken Wasserstrahl den Schlick am Grund auf. Durch die Tidenströmung werden die gelösten Sedimente aus dem Baggerbereich abgeführt. Von
diesem Baggertyp sind die MERSEY, die JETSED, JAN auf der Unterelbe und die KESS JR im Hamburger Hafen im Einsatz.
Aber es geht nicht nur um die Fahrrinne der Elbe, sondern auch um deren Seitenflüsse. Die Krückau, die einst von den Schiffen der ehemaligen Kremer Werft, Elmshorn, passiert werden konnte, hat sich schon vor dieser erneuten Vertiefung zu einem „Schlickloch“ verwandelt. Auch die Situation der Stör dürfte sich weiter verschärfen. Hier sind der Hafen Itzehoe und vor allem die Peters Werft in Wewelsfleth betroffen. Wenn hier nicht mit Baggern gegen die Verschlickung vorgegangen wird, stehen die dortigen Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Eine ähnliche Situation stellte schon die inzwischen nicht mehr existierenden Pella Sietas Werft in Neuenfelde vor große Probleme. So konnte das letzte in Bau befindliche Schiff, ironischerweise der für die Elbschlickbeseitigung vorgesehene Bagger OSTERIFF, nicht ausgedockt werden und musste deshalb mit dem Schwimmdock in die Elbe befördert werden.
Auch die Fährverbindung Glückstadt – Wischhafen hat mit einer ständigen Verschlickung zu kämpfen, insbesondere auf der niedersächsischen Seite in Wischhafen. Hier bemüht man sich derzeit mit Water-Injection Baggern die Fahrrinne aufrecht zu erhalten. Dauerhaft wird dieses wohl nicht ausreichen sein und eine Ausbaggerung, sprich Beseitigung der Schlickmassen, erforderlich werden.
Es ist kaum verständlich, dass man wegen Hamburg und seine Forderungen nach Elbanpassung im ohnehin
strukturschwachen Gebiet der Unterelbe Unternehmen und Arbeitsplätze gefährdet oder gar geopfert werden. Hinzu kommt, dass man von staatlicher Seite, insbesondere auch von Hamburg, die Meinung
vertritt, Unternehmen die unter der Verschlickung leiden müssten für die Baggerkosten selbst aufkommen. Hier wäre es an der Zeit, dass der Bund - verantwortlich für die Bundeswasserstraßen,
insbesondere aber auch Hamburg als Nutznießer, für Folgekosten der Elbvertiefungen aufkommen und die Verantwortung nicht von sich weisen. Besuche von Poltikern und wohlwollende Worte helfen
nicht, es müssen Taten folgen.
Makaber erscheint, dass die OSTERIFF, deren Bau nicht zuletzt durch die Verschlickung der Este verzögert wurde, seit der Insolvenz der Pella Sietas Werft im Jahr 2021 bei Blohm und Voss vor sich hin dümpelt. Der bis heute nicht fertiggestellte Hopper Bagger sollte die 1978 bei O & K in Lübeck gebaute NORDSEE ablösen. Auf Grund der Situation auf der Elbe ist zu erwarten, dass die NORDSEE nicht in den Ruhestand geschickt wird, sondern die OSTERIFF, sollte die Fertigstellung endlich erfolgen, als zweiter Bundesbagger eingesetzt wird. Allerdings würde auch dieser Bagger, der mit 7.000 m³ kleiner geplant wurde als die derzeit auf der Elbe eingesetzten Schiffe, den Bedarf an Baggerschiffen nicht entscheidend reduzieren. Somit dürften die Baggerreedereien auf der Elbe auch zukünftig ein dauerhaftes und lohnendes Einsatzgebiet für ihre Baggerschiffe finden. Die Kosten hierfür sind nicht absehbar. Die angesetzten 600 Mio Euro dürften bei weitem überschritten werden.
Eines sollte nach den Ergebnissen dieser erneuten Elbanpassung sicher sein, der Traum Hamburgs von
noch größeren Schiffen mit mehr Tiefgang dürfte ausgeträumt sein. Die Grenzen der Elbe sind erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten. Die Kosten, nicht nur für die Unterhaltung, sind kaum
zu kalkulieren. Die zunehmende Verschlickung der Seitenflüsse der Elbe, der Einmündung des Nord-Ostsee Kanals, sowie mögliche Auswirkungen auf die Hafenanlagen in Brunsbüttel,
Glückstadt und Stade wird Folgen für die Wirtschaft an der Unterelbe haben. Auch die Natur an der Elbe wird betroffen sein. Unter anderem werden die ständig erforderlichen
Baggerarbeiten den Sedimentanteil im Wasser deutlich erhöhen. Schon jetzt führt der sinkende Sauerstoffgehalt zu einem Fischsterben in der Elbe. Wie sich der Ausbau der Elbe bei einer sehr
schweren Sturmflut, wie 1976, auf die Sicherheit der Deiche auswirkt, wird sich erst noch zeigen müssen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die diesbezüglichen Berechnungen nicht auch als
fehlerhaft herausstellen.
Daten der aktuell eingesetzen Hopper-Bagger:
James Cook |
Pedro Alvares Cabral |
Utrecht | Uilenspiegel | Meuse River | HAM 316 | |
IMO-Nr.: | 9020261 | 9606132 | 9125956 | 9247467 | 9866988 | 9160449 |
Baujahr: | 1992 | 2012 | 1996 | 2002 | 2020 | 1998 |
Länge: | 144,00 m | 147,80 m | 154,60 m | 142,80 m | 115,80 m | 128,46 m |
Breite: | 25,54 m | 30,00 m | 28,00 m | 26,82 m | 25,00 m | 22,00 m |
Tiefgang: |
9,70 m | 10,00 m | 10,37 m | 9,45 m | 9,00 m | 9,02 m |
DWT: |
16.895 t | 26.595 t | 23.000 t | 21.968 t | 8.979 t | 14.389 t |
Laderaum: |
11.750 m³ | 14.000 m³ | 18292 m³ | 13.713 m³ | 7.950 m³ | 9.535 m³ |
Antrieb: |
14.180 kW | 15.960 kW | 23.642 kW | 13.860 kW | 10.860 kW | 11.890 kW |
Update 30.07.2022
Nach längerem Einsatz auf der Elbe hat am heutigen Morgen die MEUSE RIVER die Elbregion Richtung Zeebruegge verlassen.
Damit befinden sich aktuell noch 5 Hopper Dredger auf der Elbe im Einsatz.
Hopper-Bagger mit Einsatzgebiet Hamburger Hafen
Hopper-Bagger im Elbegebiet zwischen Hamburg und Elbmündung
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Dirk Weber (Dienstag, 02 August 2022 13:09)
Vielen Dank an Christina Wagner für diesen wertvollen und gewissenhaft recherchierten Beitrag zur verfahren Situation der Unterhaltsbaggerei auf der Elbe. Der Fahrtinnenausbau ging Mal mit 350 Mio Euro in die Planung und in die dafür erforderliche Machbarkeitsstudie. Nun sind wir allein bei den Folgekosten jährlich bei über 200 Mio Euro. Ein Fass ohne Boden. Die Gutachten dazu haben wir der BAW Wedel zu verdanken und müssen politische oder rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bitte haltet Kontakt zum Thema mit den Bündnissen in Cuxhaven, Neuhaus Oste, Hamburg (für die Elbe) Rettet-die-Elbe und den Naturschutz Verbänden, von denen ich die fällige Klage wegen der laufenden Verstöße gegen FFH und WasserRRL erwarte.
Klaus Schroh (Mittwoch, 07 Dezember 2022 19:04)
Die gescheiterte Elbvertiefung will nun Prof. Witte aufwendig in den nächsten 3 bis 5 Jahren nachbessern. Obwohl 1/3 der geplanten Vertiefung z. Zt. erreicht wurden, ist der jetzige Zeitplan bemerkenswert. Er hat wohl jetzt einsehen.müssen, dass die Gezeiten der ertieften Fahrrinne Eontreibungen zu Hauf bescheren werden
E
Christina Wagner (Freitag, 09 Dezember 2022 18:22)
Der umjubelte Abschluss der Elbvertiefung ist nach nicht einmal einem Jahr verhallt. Die Bundesbebörde hat die größeren Tiefgänge in weiten Teilen wieder zurückgenommen. Die Einfahrt zum NOK in Brunsbüttel ist für Schiffe über 8,0 m Tiefgang nur noch bei Hochwasser möglich.
In Hamburg wird die Schuld beim Bund gesucht. Der Ruf nach mehr Baggerschiffen ertönt aus der Hansestadt. Dieses wird die Baggerreederein freuen - die Elbe bringt die Liezens zu Gelddrucken für sie. Im Wettkampf gegen den Schlick helfen mehr, und vielleicht auch noch größere Bagger. Denn größere Schiffe erreichen bei den langen Strecken zu den Verklappungstellen mehr Tagesleistung.
Im Moment müssen die Containerriesen Untiefen ausweichen, vielleicht müssen sie bald Baggerschiffen ausweichen?
Zugleich liegt der neue Bunds-Bagger OSTERIFF bei Blohm+Voss und warete seit langen auf seine Fertigstellung. Die soll nun endlich erfolgen. Aber es ist zu bezeifeln, dass er nach der Fertigstellung die Lage auf der Elbe entscheident verbessert.
Hamburgs Traum für die heutigen und zukünftigen Containerriesen gerüstet zu sein versinkt im Schlick. Die Seitenarme und Häfen der Elbe, wie man auch an der NOK -Zufahrt sieht, verschlicken zunehmend. Die Antwort der Verantwortlichen: Mehr baggern, und dieses dauerhaft.
Die Elbe zeigt ihre macht, die großartigen Berechnungen werden absurdum geführt. Der Traum wird aber weiter geführt. Man darf auf die weiteren Maßnahmen gespannt sein.