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Karl-Heinz Brüggmann
Wieder einmal steht eine Beschaffung der Bundeswehr in der Kritik. Dieses Mal handelt es sich um die neuen Betriebsstofftanker der Klasse 707. Nach Presseberichten soll der Bundesrechnungshof zum Eregbnis gekommen sein, dass diese beiden Schiffe zu überhöhten Preisen beschafft werden. Mit einem Stückpreis von 435 Mio. Euro werden sie mit 870 Mio. Euro zu Buche schlagen. Es bleibt jedoch abzuwarten ob dieser Preis letztlich auch gehalten wird. Nach allen Erfahrungen bei Beschaffungen der Bundeswehr wäre eine Erhöhung der Kosten keine größere Überraschung.
Trotz der Kritik an den Kosten, will man an dem Projekt festhalten. Eine weitere Verzögerung bei der Beschaffung neuer Betriebsstofftanker würde die Einsatzbereitschaft der Marine beeinträchtigen.
Wieder hat man sich sehenden Auges selbst unter Druck gesetzt. Wie z.B. beim Tornado der Luftwaffe, wusste man schon lange, dass die beiden Betriebsstofftanker der Klasse 704 (Rhön-Klasse) mit Baujahr 1974 am Ende ihrer Einsatzfähigkeit angekommen waren und ersetzt werden müssten. So entsprachen sie als Einhüllentanker schon länger nicht mehr der aktuellen internationalen Vorschriften und konnten nur noch mit Sondergenehmigung betrieben werden. Erst immer mehr Ausfälle und Probleme mit den veralteten Schiffen machte offensichtlich eine Neubeschaffung unumgänglich.
Die Betriebsstofftanker der Klasse 707 wurden aus der Taufe gehoben. Nach dem Ausschreibungsverfahren ging der Auftrag an die Lürssen-Werft. Sie soll die beiden Schiffe bis 2025 an die Marine übergeben. Der Bundeswehr selbst, als auch der Bundesrechnungshof sollen zu dem Ergebnis gekommen sein, dass diese Schiffe, die in weiten Bereichen wesentlich günstigeren Handelsschiffe entsprechen, 250 Mio. Euro zu teuer bestellt worden sind.
Da nach den Ursprünglichen Plänen hätten die beiden Schiffe sogar 915 Mio. Euro gekostet. Daher änderte man die Pläne. Die Ursprüngliche Kapazität von 15.000 m³ Betriebsstoffe, wurde auf 12.000 m³ reduziert, was bei 11.500 m³ der alten Klasse 704 kaum noch eine Verbesserung darstellt. Auch wurde auf einen Zweischraubenantrieb verzichtet, was nicht nur die Sicherheit beeinträchtigt, sondern auch die Geschwindigkeit. Während man ursprünglich 20 Knoten angesetzt hatte, begnügt man sich nun mit nur noch 18 Knoten. Auch verzichtet man auf die Nato-übliche Beschusssicherung von wichtigen Bereichen, wie der Kommandobrücke. Zudem werden die bestellten Schiffe nicht den Tiefgang von 8 m einhalten. Mit nun 9,5 m Tiefgang sollen die Schiffe für die Wassertiefe am Standort Wilhelmshaven problematisch sein.
Obwohl man sich mit den Veränderungen einem üblichen Tankerbau annähert, sanken die Kosten doch nur
geringfügig. Nach Berichten, sollen allein für Verstärkungen für Maschinengewehrhalterungen über 1.200 Arbeitsstunden angesetzt worden sein. Da sei die Frage erlaubt, welche Maschinengewehre eine
derart aufwendige Materialverstärkung erforderlich machen sollen?
Es scheint so, als handelt es sich vom Grundkonzept weitestgehend um normale handelsübliche Tankschiffe, mit zusätzlicher Ausrüstung als Betriebsstofftanker. Von der ursprünglichen notwendigen Klassifizierung als Kriegsschiff, die unentbehrlich für die Versorgungssicherheit der Marineeinheiten sind, scheint nicht all zu viel übriggeblieben zu sein. Sie spiegeln geradezu die bisherige Ausrichtung der Bundeswehr auf weltweite Stabilisierungsmaßnahmen wieder. Hier sah man den Schutz gegen Piratengriffe wohl als ausreichend an. Gerade in der jetzt geänderten Sicherheitslage stellen Versorgungsschiffe, wie die Betriebsstofftanker, ein vorrangiges Ziel da. Da die Schiffe nur über Maschinengewehre und vermutlich über Fliegerfaust "Stinger"verfügen, was allenfalls besseren Kartoffelschmeiß-Maschinen entspricht, bleibt zu hoffen, dass sie immer über entsprechende Geleitschiffe verfügen.
Ähnliches gilt für die zwischen 1993 und 1994 beschafften Tender der Klasse 404. Auch hierbei
hat man aus Kostengründen allenfalls bessere Handelsschiffe angeschafft. Diese werden aber in keiner Weise ihrer Bedeutung als Basis- und Versorgungsschiffe für Minensuchgeschwader und U-Boote
gerecht (wir nannten sie zu meiner Zeit auch "Glucke des Geschwaders"). Entgegen der früheren Tender der Klasse 401 verfügen die nur 15 Knoten laufenden Schiffe über keine eigenen
Waffensysteme. Auch sie sind ein Symbol der vorrangigen Kosteneinsparung bei der Bundeswehr. Von ihrem Konzept her entsprechen sie kaum ihrer Bedeutung die Einsatzfähigkeit der ihnen zugeordneten
Marineverbände sicherzustellen. Auch hier dürfte in der veränderten Sicherheitslage eine Ablösung der ohnhehin schon fast 30 Jahre alten Schiffe beschleunigt anstehen. In der Planung befinden
sich seit längeren die "Mittleren Unterstützungseinheiten schwimmende Einheiten" die als Ablösung vorgesehen sind. Diese MUsE´s entsprechen, etwas kleiner, in weiten Teilen den
Einsatzgruppenversorger der Klasse 702 "Berlin" Ob und wie sich letztlich die für 2029 bisher vorgesehene Ablösung entwickelt, dürfte nicht weniger kontrovers werden. Insbesondere
dürften wieder die Kosten im Verhältnis zu den Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen,
Letztlich wird die Marine jetzt zumächst langsame, kaum geschützte Betriebsstofftanker erhalten, die eine Klassifizierung als Kriegsschiffe kaum gerecht werden. Eine Überarbeitung der Pläne oder gar Neuausschreibung wird es wohl nicht geben. Dieses geht schon aus den Erklärungen der Politik hervor, dass man auf Grund des dringenden Bedarfs den Preis der Schiffe akzeptieren müsse.
Auch schon vor dem 24. Februar 2022 hat man sich durch das gnadenlose Verschleißen des Materials der Bundeswehr selber unter Druck gesetzt, was überteuerte Beschaffungen zur Folge hat. Dieses lässt nichts Gutes für die 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr erahnen. Es ist zu befürchten, dass der enorme Druck, die Bundeswehr für die Landesverteidigung aufzurüsten, der Industrie in die Hände spielt. Trotz Beteuerungen der Politik, dass die Bundeswehr das bestmögliche Material erhalten soll, mag der Glaube daran fehlen. Die lautstark verkündeten Veränderungen bei den Institutionen der Beschaffung der Bundeswehr dürften wohl zunächst in lange Diskussionen münden. Es bleibt nur zu hoffen, dass die verantwortlichen Offiziere in den Einheiten ihre Erfordernisse klipp und klar, mit Nachdruck, gegenüber der Politik vortragen.
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