Richtige Entscheidung, oder ist Reaktivierung bei der Bundeswehr sinnvoller?
Gastbeitrag:
Christina Wagner
Die Bundesregierung hat sich entschieden an die Ukraine den Flakpanzer Gepard zu liefern. Dieses sollen aus dem Bestand von etwa 50 Gepard-Panzern der Firma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) erfolgen.
Diese Lieferung dürfte aber nicht zeitnah erfolgen können. Zunächst sind die seit 2011 ausgemusterten Gepard wieder einsatzbereit herzustellen. Dieses dürfte wahrscheinlich einige Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen. Bei allem Verständnis für die Unterstützung der Ukraine, muss aber auch gesehen werden, bei dem Gepard handelt es sich um eines, wenn nicht um das technisch komplizierteste Waffensystem des Heeres. Durch sein Radarsystem und der Feuerleittechnik ist die Bedienung nicht in ein oder zwei Wochen zu erlernen sein. Darüber hinaus ist die Logistik für den auf den Leopard 1 aufgebauten Gepard herzustellen. Zu berücksichtigen sind auch die Wartung und Reparatur der komplexen Technik. Ohne die diese Fähigkeiten der Ukrainer dürfte ein effektiver Einsatz der Gepard kaum möglich sein.
Daneben gibt es offenbar auch Probleme bei der Munition. KMW soll nach vorliegenden Informationen nur noch über etwa 23.000 Geschosse für den Gepard verfügen. Für weitere, die von einem Schweizer Unternehmen hergestellte 35 mm Munition, verweigert die Regierung in der Schweiz die Ausfuhrgenehmigung in die Ukraine. Die Schweiz beruft sich dabei auf ihre Neutralität. Dieses wirft auch die generelle Frage auf, wie zweckmäßig es ist, eine militärische Produktion für die Versorgung der Bundeswehr in der Schweiz zu nutzen?
Im Moment scheint sich die Bundesregierung in einem Spagat zu befinden. Auf der einen Seite will man die Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützen. Dieses ist auch absolut zu befürworten. Doch auf der anderen Seite steht auch die Befähigung der Bundeswehr zur Landesverteidigung. Nachdem bisher die Bundeswehr als „Stabilisierungsarmee“ betrachtet wurde, steht seitdem Angriffs Russlands auf die Ukraine die Landesverteidigung und Bündnisfähigkeit wieder im Mittelpunkt.
Wie ich schon in meinem Beitrag „Flugabwehr fehlt beim Heer“ am 26. Februar ausgeführt habe, fehlt dem Heer die Fähigkeit zur begleitenden Flugabwehr. Mit den 420 Gepard Flakpanzern stand bis 2011 einer der leistungsfähigsten Flakpanzer zu Verfügung. Ergänzt wurden diese von 140 Roland Flugabwehrraketenpanzern. Diese Flugabwehrfähigkeiten wurden bis 2011 vollständig abgeschafft. Diese Entscheidung war und ist kaum verständlich. Wie auch jetzt der Krieg in der Ukraine zweigt, ist die Bedrohung für Bodeneinheiten durch Flugzeuge, Kampfhubschrauber und auch insbesondere Drohnen eine primäre Gefahr. Dieser kann das Heer nur mit leichten Waffen „Schulterwaffen“, wie Stinger-Raketen begegnen. Damit ist eine effektive Luftabwehr von Heeresverbänden gegen Bedrohungen aus der Luft nicht zu gewährleisten.
Damit stellt sich die Frage, ob die Lieferung von Gepard an die Ukraine sinnvoll ist? Bis die Soldaten der Ukraine in Bedienung, Wartung und Reparatur ausreichend geschult sind und den Gepard effektiv im Feuerkampf einsetzen können, könnten noch Monate vergehen. Dagegen wäe es aus Sicht der Befähigung zur Landesverteidigung zweckmäßiger den Gepard kurzfristig wieder in den aktiven Bestand des Heeres aufzunehmen. Auch als älteres Waffensystem ist der Gepard noch immer effektiv einsetzbar und würde die Lücke bei der Luftverteidigung des Heeres zeitnah schließen helfen.
Es wird allerdings unumgänglich sein, aus dem vorgesehenen Sondervermögen für die Bundeswehr ein neues, leistungsfähiges System zur Luftabwehr des Heeres zu beschaffen. Dieses könnte auf Basis des Fahrgestells des Leopard II oder auch Pumas erfolgen. Hier ist die Industrie gefordert, ein ebenso leistungsfähiges wie effektives System für das Heer anzubieten. Bis dieses eingeführt werden kann, stellen aus meiner Sicht die etwa 50 Gepard die schnellste Lösung für die Luftabwehr des Heeres da.
Auch wenn ich für die Unterstützung der Ukraine bin, halte ich es für unabdingbar dabei auch die Fähigkeiten der Bundeswehr im Rahmen der Landesverteidigung im Auge zu behalten. Mit der Abgabe der Gepard-Panzer wäre eine kurzfristige Korrektur der damaligen Fehlentscheidung der Abschaffung der Luftverteidigung des Heeres kaum noch umsetzbar. Im Zeichen der Zeitenwende und der Aggression Russlands sehe ich die Lücke bei der Luftabwehr über Jahre, bis ein neues System einsatzfähig sein wird, mehr als kritisch. Daher wäre eine Korrektur der Entscheidung bezüglich der Gepard-Panzer sinnvoll und diese der Bundeswehr wieder einzugliedern.
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Daniel R. (Mittwoch, 05 Juli 2023 04:20)
Guten Morgen zusammen!
Ich denke der Kern des Problems liegt darin, dass man sich sehr nach einem Nahöstlichen Gegner, ohne Kampfflugzeuge, Hubrauber und Drohen orientiert hat. Der deutsche Bundesbürger ist im allgemeiner dem Militär sehr kritisch gegenüber. Daher mussten die Ausgaben im Zaun gehalten und solche Systeme ausgemustert werden. Diesen Schritt finde ich ebenfalls falsch. Nun hat sich diese Naivität und das Verständnis nach selbstverständlichem Frieden gerächt und man sieht sich einem neuen Gegner gegenüber.
Christina Wagner (Mittwoch, 05 Juli 2023 06:02)
Hallo Daniel,
ich kann Dir nur zustimmen.
Gerade der Krieg in der Ukraine zeigt, dass die Ausmusterung von Gepard und Roland ein Fehler war. Heute ist die Gefahr für die Bodentruppen größer den je. Neben Flugzeugen und Kampfhubschraubern ist heute die Bedrohung durch Drohnen massiv. Die Operationsmöglichkeiten von Bodentruppen ohne entsprechende Luftverteidigung können durch "billige" Drohnen effektiv eingeschränkt werden.
Von daher ist nur zu hoffen, dass diese Fehlentscheidung aus der Vergangenheit rasch behoben wird und das Heer wieder ein leistungsfähiges System für die begleitende Luftverteidigung erhält. Hier ist die Politik und die Industrie gefordert eine schnelle, aber vor allem auch effektive Lösung, für das Heer bereit zu stellen.
Daniel R. (Donnerstag, 06 Juli 2023 02:20)
Guten Morgen Christina,
ich muss dir da vollkommen zustimmen.
Zwar gibt es das "Mantis" und zukünftig auch "Skynex" und Ko. aber wohl kaum in irgendeiner nennenswerten Größenordnung. Neben dem Waffensystem muss natürlich auch Munition und Ersatzteilversorgung gewährleistet sein. Der Gepard und auch Roland lassen eine Lücke zurück. Liegen euch zu Mantis weitere Informationen für einen eigenen Beitrag vor?
Christina Wagner (Donnerstag, 06 Juli 2023 19:07)
Guten Abend Daniel,
ich will kurz auf "Mantis" und Co. eingehen.
"Mantis" ist als Flugabwehrsystem zur Objektsicherung entwickelt worden. Die Bundeswehr, hier die Luftwaffe, verfügt über zwei System, die in diesem Jahr der Slowakei überlassen wurden.
Ein System besteht aus einer Feuerleitzentrale, einem Sensoreneinheit, sowie bis acht Geschützen. Kaliber ist 35 mm, die Reichweite beträgt 4.000 m und die Schußfolge liegt bei 1.000 Schuss/min. Dieses System ist in dieser Konfiguration nicht für die begleitende Luftverteidigung geeignet.
Dieses von Rheinmetall Air Defence entwickelte System wird aber auch als mobiles System "Skyranger" angeboten. Hier stehen zwei Varianten zur Verfügung. Das schon erwähnte 35 mm Flugabwehrsystem und ein 30 mm Geschützsystem. Die Reichweite des 30 mm Systems liegt bei etwa 3.000 m bei einer Kadenz von 1.200 Schuss/min. Zusätzlich kann ein Starter für Kurzstrecken Boden-Luft Raketen, oder eine zusätzliche Laserwaffensation installiert werden.
Das System kann auf verschiendenen Trägerfahrzeugen eingesetzt werden. Als Kettenfahrzeug käme der Puma und Lynx, als Radpanzer der Boxer in Betracht. Dieses ermöglicht den Einsatz auf einem der Aufgabenstellung entsprechenden Fahrzeug.
Zu dieser Systemfamilie von Rheinmetall gehört auch das "Skynex" System
Als vorhandene Systeme könnten sie die Luftverteidigungslücke beim Heer schließen. Allerdings braucht es auch eine Beschaffung in ausreichender Anzahl. Die bisher angedachten 30 "Skyranger"- Systeme auf Radpanzer Boxer dürften nicht ausreichend sein.
Soweit erst einmal. Wenn es die Zeit erlaubt, kommt demnächst vielleicht ein detaillierter Beitrag.
Grüße Christina